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Frühjahrsgutachten: Der Staat muss Abschied nehmen vom Modell Kassieren und Regulieren

Das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen zeichnet eine deutliche Kehrtwende am Immobilienmarkt. Investitionen werden unattraktiver. Gestaltungsspielraum eröffnet sich trotzdem, da die Rezession nach Ansicht der Experten nur kurz und milde ausfallen wird. Mieten bleiben stabil, Kaufpreise fallen nun aber auch bundesweit.

Das Marktumfeld für Immobilien hat sich seit dem letzten Jahr deutlich verändert. Das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen haben viele Akteure auf dem Immobilienmarkt deshalb mit besonderer Spannung erwartet. Am 14. Februar 2023 in Berlin haben die fünf Immobilienweisen ihr Papier vorgestellt, welches vom Zentralen Immobilienausschuss (ZIA) herausgegeben wird. Das Gutachten haben die Experten an die anwesende Bundesbauministerin Klara Geywitz übergeben.

Rat der Immobilienweisen

Der im Herbst 2002 gegründete „Rat der Immobilienweisen“ bietet mit seinen Frühjahrsprognosen einen umfassenden Datenfundus für Immobilienwirtschaft, Politik, Wissenschaft sowie die breite Öffentlichkeit. Zahlreiche namhafte Unternehmen aus der Immobilienbranche gehören zu den Unterstützern des Gutachtens. In diesem Jahr feiert das Frühjahrsgutachten sein 20-jähriges Jubiläum.

Mitglieder des Rats der Immobilienweisen sind:
Carolin Wandzik (GOS)
Prof. Dr. Dr. h.c. Lars Feld (Walter-Eucken-Institut)
Michael Gerling (EHI Retail Institute)
Sven Carstensen (bulwiengesa)
Prof. Dr. Harald Simons (empirica)

Zuwanderung sorgt für noch mehr Nachfrage nach Wohnraum

Einer der zentralen Punkte des Gutachtens ist die Wohnungsnot. Die Lage nimmt dramatische Ausmaße an. Die aktuelle Bevölkerungsprognose des Instituts empirica geht für das Jahr 2022 von einer Nettozuwanderung von 1,1 Millionen Personen aus der Ukraine aus. Rechnet man die Zuwanderungen aus anderen Teilen der Welt hinzu, ist das Jahr 2022 das Jahr mit der höchsten Nettozuwanderung seit Bestehen der Bundesrepublik. Inwieweit eine Rückwanderungswelle einsetzen wird, ist abhängig vom Verlauf des Krieges in der Ukraine. Insgesamt sehen die Immobilienweisen aufgrund des Ukrainekonflikts eine Nachfrage von 200.000 zusätzlichen Wohnungen.

Einbruch beim Neubau

Die ohnehin schon angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt verschärft sich durch die mangelnde Entlastung beim Neubau. „Für das Jahr 2022 liegt beim Wohnungsbau bereits ein kumuliertes Neubaudefizit in der Zahl fast aller Wohnungen in Bremen vor, im Jahr 2024 wären rechnerisch alle Saarländer ohne Wohnung, für 2025 könnte das Gap bei 700.00 Wohnungen beziehungsweise 1,4 Mio. Menschen liegen“, erklärt ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner. Investitionen in den Neubau sind zunehmend unattraktiv geworden aufgrund steigender Zinsen sowie der Aussetzung der KfW-Förderung. Vor allem der Anstieg der Baupreise belastet die Bautätigkeit massiv. Im dritten Quartal 2022 lagen die Preise im Mittel um 16,5 Prozent höher als im Vorjahr. Ähnlich hohe Steigerungen gab bislang nur im Jahr 1970.

Rezepte gegen die Wohnungsnot

Die Wohnungsnot ist kein Schicksalsschlag, sondern bedarf der Justierung verschiedener Stellschrauben. ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner fordert, der Staat solle „Abschied nehmen vom Modell Kassieren und Regulieren.“ Vor allem sollte die Einnahmeseite der Wohnungswirtschaft durch Mieteinnahmen weiter stabil bleiben. Der Neubau von Wohnungen rechnet sich derzeit nicht mehr, da die erzielbaren Mieten unterhalb der Kostenmieten liegen.

Um mehr Wohnraum zu schaffen, sind nach der Ansicht des ZIA unter anderem folgende Maßnahmen dringend umzusetzen:

  • Preissenkung beim Wohnungsbau durch den Abbau der enormen Staatsquote
  • Verbesserte Finanzierungsbedingung durch neue Förderprogramme
  • Serielles und modulares Bauen ermöglichen
  • Einführung einer degressiven Afa
  • Eine Öffnung des § 246 des Baugesetzbuchs,um einfachen, schnellen und bezahlbaren Wohnungsbau zu ermöglichen (§ 246 wurde ursprünglich als Sonderregelung eingeführt für Flüchtlingsunterkünfte)

„Der Wohnungsneubau sah sich 2022 neuen Herausforderungen gegenüber. Der annähernd zeitgleiche drastische Anstieg der Baupreise und der Zinsen ließ viele Projektkalkulationen zerbröseln, und regelrechte Angst kehrte unter den Wohnungsmarktakteuren ein. Der Neubau von Wohnungen ist mit den hohen Baupreisen plus höheren Zwischenfinanzierungskosten und hohen Grundstückskosten meist nicht mehr wirtschaftlich, da die erzielbaren Mieten unterhalb der Kostenmieten liegen und die Verkaufspreise aufgrund der höheren Zinsen nicht mehr von den Käufern finanziert werden können.“

Prof. Harald Simons (empirica)

Mieten steigen nicht in dem Maße wie Energie oder Nahrungsmittel

Aufgrund der hohen Nachfrage nach Wohnraum sind die Mieten in den letzten vier Quartalen 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 5,2 Prozent gestiegen. Viele Menschen stellen ihre Pläne zurück, Eigentum zu erwerben aufgrund der gestiegenen Kosten und hohen Zinslast. Sie drängen nun zusätzlich auf den Mietmarkt.

Zwar bleiben auf Seiten der Wohnungswirtschaft die Einnahmen durch die Wohnungsvermietung weitgehend stabil. Bei den Nebenkosten sieht die Situation anders aus. Vermieter übernehmen in Teilen das Inkasso für die Energieversorger und können im schlimmsten Fall durch ausstehende Nebenkostennachzahlungen in eine finanzielle Notlage geraten. Inwieweit das für einzelne Vermieter existenzbedrohend wird, ist derzeit nicht abzusehen.

Die Inflation zeigt ihre Auswirkungen nicht so sehr bei den Mieten. Das Frühjahrsgutachten stellt fest: Teurer geworden sind vor allem Strom, Gas und andere Brennstoffe, Nahrungsmittel sowie alkoholfreie Getränke, ebenso die Instandhaltung und Reparatur von Wohnhäusern.

Kaufpreise sinken nun auch bundesweit

Die Kaufpreise sind im Jahr 2022 bundesweit zwar im Vergleich zum Vorjahr weiter um 7,8 Prozent gestiegen. Im vierten Quartal beginnt dann allerdings der Sinkflug. Bundesweit sind die Angebots­preise um ­2,4 Prozent gefallen, wobei in den westdeutschen kreisfreien Städten der Rückgang mit ­2,8 Prozent am stärksten war. In Zukunft wird sich die Preisfindung auch an Nachhaltigkeitskriterien orientieren. So könnten in Zukunft schlecht sanierte Gebäude auf dem Markt in Schwierigkeiten geraten. Das bietet wiederum Chancen für Spezialisten mit Kompetenz in der energetischen Sanierung von Bestandsimmobilien.

„Eine neuerliche Diskussion über die Regulierung steigender Mieten wäre dann höchst kontraproduktiv. Denn dadurch könnten zusätzlich dringend benötigte Investitionen in den Wohnungsneubau abgewürgt und gleichzeitig die Elastizität des Bauangebots deutlich verringert werden.“

Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld (Professor für Volkswirtschaftslehre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Direktor des Walter-Eucken-Instituts)

Rezession bleibt aus oder dauert nur kurz

Das Gutachten der Immobilienweisen betrachtet auch die gesamtwirtschaftliche Lage und zeichnet hier für das Jahr 2023 ein leicht positives Bild. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld meint: „Inzwischen wird zunehmend von einer kurzen und milden Rezession für 2023 ausgegangen, wenn sie denn überhaupt eintritt.“ Auch ist damit zu rechnen, dass sich die Baupreise regulieren und bestehende Lieferketten funktionieren. Auch das könnte Investitionen wieder besser kalkulierbar machen.

Der Wohnungsmarkt ist insgesamt träge und reagiert im Gegensatz zu den Aktienmärkten oft nur langsam. Maßnahmen der Politik müssen sich deshalb langfristig ausrichten. Kurzfristige Ad-Hoc-Maßnahmen verpuffen und helfen in Krisenzeiten nur wenig.