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Rechtsupdate: Härtefälle bei Modernisierungsmieterhöhungen

Der Modernisierung von Wohnraum folgt oftmals die Anpassung der Miethöhe. Doch was bedeutet es für Vermieter, wenn der Mieter eine besondere Härte geltend macht, um der Erhöhung auszuweichen?

Im vorliegenden Fall ersetzte die Vermieterin die bisherigen Balkone durch neue mit einer Gesamtgröße von fünf Quadratmetern, ließ die oberste Geschoßdecke sowie die Fassade dämmen und nahm einen stillgelegten Fahrstuhl in Betrieb. Gegen die Mieterhöhungserklärung argumentierte der Mieter, der bereits rund 55 Jahre in der Wohnung wohnt, dass die Mieterhöhung für ihn aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II eine finanzielle Härte bedeute. 

Glühbirne

Hinweis: Nicht zu rechtfertigende Härte bei Mieterhöhungen (§ 559 Abs. 4 S. 1 BGB)

Die Mieterhöhung ist ausgeschlossen, soweit sie auch unter Berücksichtigung der voraussichtlichen künftigen Betriebskosten für den Mieter eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.

Wohnungsgröße bestimmt nicht die Unangemessenheit des Wohnens

Die Vermieterin hingegen entgegnete, dass ein Härtefall aufgrund der Größe der Wohnung nicht vorliegen könne. Der Bundesgerichtshof stellte in seinem Urteil vom 09.10.2019 (Az. VIII ZR 21/19) jedoch fest, dass die Unangemessenheit einer Wohnungsgröße nicht ausschließlich nach Quadratmetern für die Anzahl der Bewohner bestimmt werden kann. Wesentlich sei dabei insbesondere, dass die Verwurzelung des Mieters in der Wohnung oder dessen gesundheitliche Verfassung. 

Zuvor hatte das Berufungsgericht zutreffend als maßgeblichen Gesichtspunkt berücksichtigt, dass der Mieter schon seit dem Jahr 1962 in der Wohnung lebe. Entgegen der Auffassung der Vermieterin könne dem Mieter daher nicht vorgehalten werden, dass er schon seit Beginn des Mietverhältnisses „über seine Verhältnisse“ lebe.

Mieter kann sich nicht von vornherein auf einen Härtefall berufen

Das Berufungsurteil wurde jedoch vom Bundesgerichtshof aufgehoben, weil keine ausreichenden Feststellungen zum Vorliegen der Ausnahmefälle des § 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB getroffen worden seien, die den Härteeinwand des Mieters gesetzlich untermauern. Liegen diese Voraussetzungen also vor, kann sich der Mieter von vornherein nicht auf einen Härtefall berufen. 

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Hinweis: Regelungen, die einen Härtefall erschweren

Eine Abwägung nach Satz 1 findet nicht statt, wenn 1.die Mietsache lediglich in einen Zustand versetzt wurde, der allgemein üblich ist, oder 2.die Modernisierungsmaßnahme auf Grund von Umständen durchgeführt wurde, die der Vermieter nicht zu vertreten hatte.

Erläuterung des Urteils

Die Modernisierungsmaßnahme „Vergrößerung der Balkone auf 5 qm“ muss hinterfragt werden, da das Berufungsgericht keine tragfähigen Feststellungen zu der entscheidenden Frage getroffen habe, ob Balkone dieser Größe allgemein üblich, also bei mindestens 2/3 aller vergleichbaren Gebäude gleichen Alters unter vergleichbaren Verhältnissen in der Region anzutreffen seien. Daher ließe sich allein aus dem Umstand, dass der Berliner Mietspiegel einen Balkon ab 4 qm Fläche als wohnwerterhöhendes Merkmal einstufe, keine verlässlichen Schlussfolgerungen ziehen. 

Hinsichtlich der Modernisierungsmaßnahme „Fassadendämmung“ verkannte das Berufungsgericht, dass § 9 Abs. 1 EnEV dem Eigentümer im Falle der Erneuerung des Außenputzes an Fassadenflächen zwar vorgebe, Wärmedämmungsmaßnahmen durchzuführen, ihm aber eine Verpflichtung, den Außenputz zu erneuern, gerade nicht auferlege. Vielmehr stehe es regelmäßig im freien Belieben des Vermieters, ob und wann er eine Erneuerung des Außenputzes vornehme. Erst wenn er sich hierzu entschlossen habe, verpflichte ihn das Gesetz zur Einhaltung bestimmter Wärmedämmwerte.

Ausschluss des Mietereinwands nur bei Nichtverschulden des Vermieters

Der vorgenannte Paragraf 559 Absatz 4 Satz 2 Nr. 2 BGB schließt den Härteeinwand des Mieters aber nur dann aus, wenn der Vermieter die Durchführung einer Modernisierungsmaßnahme nicht zu vertreten habe, sich ihr also aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften nicht entziehen könne. Es ist demnach von grundlegender Bedeutung, ob für den Vermieter eine Erneuerung des Außenputzes „unausweichlich“ ist, zum Beispiel weil dieser aufgrund altersbedingten Verschleißes zu erneuern ist und sich der Vermieter zudem einem berechtigten Instandsetzungsinteresses des Mieters oder einer behördlichen Anordnung ausgesetzt sieht beziehungsweise die Beseitigung von Schäden dringend aus Sicherheitsgründen geboten ist. Im Falle einer solchen „Unausweichlichkeit“ befindet sich der Vermieter in einer Zwangslage, die den Ausschluss des Härteeinwands des Mieters rechtfertigt.