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Die Wohnungswirtschaft fordert von der Bundesregierung umgehend eine deutliche Vereinfachung des bislang komplizierten Regelwerks beim Mieterstrom. Ohne großen finanziellen Aufwand ließe sich so die Energiewende wirkungsvoll beschleunigen.
Der Energiekrise in der Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine etwas Gutes abzugewinnen, fällt nicht leicht. Einer der wenigen positiven Effekte könnte sein, dass die Abhängigkeit der Gebäudewirtschaft von fossilen Energieträgern nun viel schneller vorangetrieben wird. Die Kosten für die Wärmeerzeugung mit Gas sind einfach zu hoch, um weiter darauf zu setzen.
Der regulatorische Aufwand blockiert den Mieterstrom
Dem Mieterstrom kommt bei der Energiewende eine Schlüsselrolle zu. Gebäudebesitzer sollen in Zukunft mithilfe von Solarpaneelen ihren Strom selbst erzeugen. In vielen Bundesländer gibt es deshalb bereits eine Solardachpflicht. Der auf dem Dach erzeugte Strom ist aber nutzlos, wenn er nicht zum Mieter gelangt. Bislang ist der regulatorische Aufwand für Netzanschlüsse, Einspeisevergütungen, Messstellenbetrieb gerade für private Vermieter kaum zu bewerkstelligen. Mieterstrommodelle bleiben deshalb einigen großen Wohnungsbaugesellschaften vorbehalten, die diese als Vorzeigeprojekte realisieren.
Die Regularien für den Mieterstrom sind kompliziert, erfordern Fachkenntnisse und einen hohen bürokratischen Aufwand. Hinzu kommt, dass wenn Vermieter günstigen Strom aus regenerativer Erzeugung an ihre Mieter verkaufen, sie gewerbesteuerpflichtig werden. Zwar gibt es einige Dienstleister, die sämtliche Prozesse beim Mieterstrom als Dienstleitung abwickeln. Aber selbst ein Marktführer für Solaranlagen wie Enpal hält sich beim Mieterstrom zurück und realisiert diesen derzeit nicht.
Während die Fotovoltaik bei Einfamilienhäusern mittlerweile auch dank gezielter Förderung große Verbreitung gefunden hat, stößt das Thema bei Besitzern von Mehrfamilienhäusern auf wenig Begeisterung. Der Grund sind nicht die Investitionskosten für eine Fotovoltaikanlage. Solange der Gesetzgeber beim Mieterstrom nicht endlich für klare Verhältnisse sorgt, machen die Solarpaneele auf dem Dach von vermieteten Wohnhäusern nur wenig Sinn.
Mieterstrom ist ein entscheidender Baustein hin zu einer Energiewende im Gebäudesektor
Zwar hat die Bundesregierung die undurchschaubaren Verhältnisse beim Mieterstrom wahrgenommen. Bereits im Koalitionsvertrag hatten die Partner vereinbart, den Mieterstrom zu fördern und das komplizierte Regelwerk zu vereinfachen. Passiert ist leider bis heute nichts.
Das bleibt vielen Experten ein Rätsel. Gerade jetzt, wo die Not der Menschen aufgrund der Energiekrise besonders groß ist, wäre diese Maßnahme mit wenig finanziellem Aufwand umzusetzen. „Wir haben hier eine einfache, praktische Lösung für die angespannte Lage – eigentlich ein No-Brainer“, erklärte Dirk Salewski, Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilienunternehmen (BFW).
Nicht nur die Versorgung von Wärmepumpen mit Strom oder die Deckung des Hausbedarfs könnte über Fotovoltaik in großen Teilen abgedeckt werden. Auch macht die Installation von Ladesäulen für E-Autos nur in Kombination mit regenerativ erzeugter Elektrizität überhaupt erst Sinn. Die Entwicklung der Elektromobilität steht und fällt mit dem Mieterstrom. Mieter kaufen sich nur dann ein E-Auto, wenn sie eine gute Infrastruktur vorfinden. Mit der E-Tankstelle direkt vor der Haustür, können die Bewohner von Mietshäusern tagtäglich und ohne viel Aufwand vor Ort CO2-neutral erzeugten, günstigen Strom beziehen.
„Es geht um die radikale Vereinfachung der direkten Verwendung von lokal erzeugtem, erneuerbarem Strom im Mietwohnungsbereich insgesamt – für Mieterstrom, Wärmepumpen, Hausbedarfsstrom und Elektromobilität.“, erklärt Dirk Salewski. „Die gewerbesteuerliche Infizierung der Vermietungserträge durch lokale Stromerzeugung muss beseitigt werden. Die neue gewerbesteuerliche 10 Prozent – Grenze im GewStG ist zwar ein richtiger Schritt nach vorn. Leider begrenzt sie die umfassende Umsetzbarkeit von Mieterstrommodellen willkürlich.“
Offener Brief an die Bundesbauministerin Klara Geywitz
Die Wohnungswirtschaft geht nun proaktiv auf die Bundesregierung zu. Denn Immobilienbesitzer bekommen die Folgen der Energiekrise in Form von hohen Abschlägen deutlich zu spüren. Die Gebäudewirtschaft steht deshalb vor der Notwendigkeit, Lösungen zur Überwindung der Energiekrise zu finden. Die Verbände Haus & Grund, der Bundesverbandes Freier Immobilienunternehmen (BFW), der Immobilienverband Deutschland IVD sowie Bundesverband deutscher
Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (Gdw) haben gemeinsam einem offenen Brief an die Bundesbauministerin Klara Geywitz verfasst. Zu den Forderungen der Interessenvertreter gehören unter anderen folgende:
- Eine Stromkostenverordnung, die die Verteilung der Kosten der lokalen EE-Stromerzeugung im Rahmen der Betriebskosten regelt,
- kein oder vermindertes Netzentgelt bei Durchleitung von lokalem selbst erzeugtem Strom innerhalb des Quartiers,
- Novellierung des Gewerbesteuergesetz (GewStG) mit Streichung der 10 %-Grenze.
Die Politik muss jetzt handeln
Die Dächer und Fassaden von Mehrfamilienhäusern bieten ein ungeheures Potenzial, um dort mithilfe von Fotovoltaik Strom zu erzeugen. Trotz großer Dringlichkeit wird diese Chance derzeit nicht genutzt. Statt mit der Gießkanne Gelder zu verteilen, ließe sich durch eine einfache regulatorische Maßnahme beim Mieterstrom viel erreichen. Private Vermieter könnten über Mieterstrommodelle die Installation von Fotovoltaikanlagen besser refinanzieren und so ihre Immobilien zukunftssicher machen. Experten haben errechnet, dass derzeit energetisch ertüchtigte Immobilen einen Wertzuwachs von 25 – 30 Prozent erzielen.