Die von der neuen Bundesregierung geplante Umstellung des Kaltmietensystems auf eine Teilwarmmiete gilt als die wichtigste Änderung in der Vermietung seit Jahrzehnten. Branchenexperten halten das Vorhaben für nicht umsetzbar.
Die Teilwarmmiete ist ein Konzept, welches maßgeblich von der FDP bereits im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen gefordert wurde. Wie weitreichend die Umsetzung für sämtliche Mietverhältnisse in Deutschland wäre, zeigt das Medienecho. Alle überregionalen Traditionsmedien von Bild, Stern bis zum TV-Sender RTL berichteten.
Revolution in der Vermietung
Käme die Teilwarmmiete, wäre das tatsächlich eine Revolution. Vermieter sollen nach den Vorstellungen der Ampelkoalition ihre Wohnungen nicht mehr kalt anbieten. Die monatliche Miete enthält dann zusätzlich eine festgelegte Basiswärmeversorgung. Der Verbrauch über die Grundversorgung hinaus soll der Mieter wie bisher selbst bezahlen. Die Basiswärme könnte zum Beispiel 20 Grad betragen. Möchten es die Bewohner kuscheliger haben – 21 Grad oder mehr – zahlen sie das selbst.
Das bisherige rein verbrauchsabhängige Abrechnungssystem bei den Heizkosten wäre damit vom Tisch. Bei den Basiskosten gäbe es keine Vorauszahlungen für die Heizung, am Ende des Jahres müssten Vermieter diese nicht mehr mit dem Mieter abrechnen. Ziel der Umstellung auf die Teilwarmmiete ist es, Anreize für Investitionen in den Klimaschutz zu schaffen. In Schweden hat dieses Konzept tatsächlich den Energieverbrauch und damit den C02 Ausstoß in Mietshäusern gesenkt.
Anreiz für Investitionen
Schon die alte Bundesregierung hatte das bisherige Kaltmieten-System als ein Problem angesehen. Mit der Einführung der CO2-Besteuerung fossiler Brennstoffe verschärft sich das sogenannte „Mieter-Vermieter-Dilemma“. Der Vermieter reicht die deutlich gestiegenen Energiekosten einfach an den Mieter weiter und hat keinen wirklichen Anreiz, in eine verbesserte Wärmedämmung oder energiesparende Heiztechnik zu investieren. Nun möchte die Politik den Vermieter stärker an den steigenden Energiekosten beteiligen und ihn zu mehr Investitionen verpflichten.
Experten sehen Teilwarmmiete kritisch
Das Echo auf die revolutionären Pläne ist skeptisch bis klar ablehnend. Das Öko-Institut hat im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA) und des Bundesumweltministeriums (BMU) Ende November des letzten Jahres ein 34 Seiten umfassendes Kurzgutachten zur Teilwarmmiete veröffentlicht. Prof. Dr. Stefan Klinski, Autor der Studie, hält das Konzept für nicht ausgereift: „Zu beachten ist insbesondere, dass die Einführung eines Teilwarmmietenmodells keinen spezifischen auf die Refinanzierung einer bestimmten (ggf. größeren) Investition gerichteten Anreiz auslöst.“
Kosteneinsparung durch Teilwarmmiete zu gering
Der Gesamtverband der deutsche Wohnungswirtschaft (GDW) bestätigt die Aussage des Wissenschaftlers: „Keine energetische Modernisierung ist aus der Energiekosteneinsparung heraus finanzierbar, auch nicht unter Einbindung der Fördermittel. Verschärfend kommt hinzu, dass die tatsächliche Energie- und damit die Kosteneinsparung regelmäßig geringer ausfällt, als berechnet.“
Die Experten sind sich einig: Die Kosten für die energetischen Sanierung sind enorm und lassen sich nicht alleine mit Einsparungen bei der Wärmeversorgung finanzieren. Am Ende wäre der Eigentümer doch gezwungen, die Mieten zu erhöhen, will er seine Immobilie weiterhin verlustfrei bewirtschaften. Die Pläne der Politik, die Mieter nicht weiter zu belasten, würden ins Gegenteil verkehrt.
Hoher bürokratischer Aufwand
Experten warnen auch vor dem technischen und bürokratischen Aufwand. Um die zur Grundversorgung zusätzlich anfallenden Heizkosten zu ermitteln, müssten erst die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Das verursacht weitere Kosten und schafft der Verwaltung viel zusätzliche Arbeit.
Die Umsetzung des Konzepts erfordert die Änderung sämtlicher Mietverträge in Deutschland. Soll die Teilwarmmiete nur für neu installierte Heizungen gelten oder bei neuen Mietverträgen, dann führt das zu einem verwirrenden Ungleichgewicht innerhalb der Mieterschaft. Im gleichen Haus hätte der Vermieter unter Umständen Teilwarmmietverträge neben alten Kaltmietverträgen. Auf Seiten der Mieterschaft gäbe es viele neue Ungerechtigkeiten, für den Vermieter wäre der bürokratische Aufwand immens.
Alle Lasten beim Vermieter
Bei der Teilwarmmiete wird deutlich, wo die neue Bundesregierung hinsteuert. Sie will dem Gebäudesektor mehr Klimaschutz aufbürden, dabei aber den Mieter so wenig wie möglich belasten. Dem Eigentümer wird von der Ampelkoaltion neben seiner Rolle als Vermieter, auch noch die des Energiemanagers aufgebürdet.
Die Politik orientiert sich wie so oft wenig an der Situation der privaten Immobilieneigentümer. Anders als manch eine große Wohnungsbaugesellschaft verfügt der einzeln agierende Vermieter nicht über die Ressourcen für noch mehr Verwaltungsaufwand und das Einarbeiten in sämtliche bautechnischen Anforderungen an den Klimaschutz.
Die Politik möchte die schon jetzt begrenzten Möglichkeiten in der Vermietung Erträge zu erwirtschaften, noch weiter einschränken. Kein privater Immobilienbesitzer wird deshalb seine Investitionen grenzenlos ausweiten können. Haus & Grund Präsident Kai Warneke äußerte sich als Interessenvertreter der privaten Wohnungseigentümer gegenüber der Bild Zeitung deutlich: „Die Teilwarmmiete ist eine Fantasterei von Wissenschaftlern, die noch nie eine echte Heizung gesehen haben.“
Veränderung wird kommen
Auf welche Weise die Politik ihre neuen Konzepte bei der Teilwarmmiete wie auch bei der CO2 Abgabe umsetzt, sollen nun die Ausschüsse im Bundestag erarbeiten. Eigentümer dürfen bei der derzeitigen politischen Konstellation davon ausgehen, dass sich für sie in der Vermietung einiges ändern wird. Dr. Reiner Braun vom Forschungsinstitut empirica bringt in einem seiner Tweets die Situation auf den Punkt: „Teilwarmmiete besser oder schlechter: Komplizierter wird es so oder so“.