Die Pandemie stellt insbesondere Gewerbemieter vor große Herausforderungen. Justizministerin Lambrecht fordert nun eine Auflösung des Konfliktpotentials durch rechtliche Klarstellungen.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) steht Gewerbemietern bei Konflikten mit unkooperativen Vermietern im Zuge der Corona-Krise zur Seite und geht dabei auf die gesetzliche Situation ein. Für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse verdeutlicht die Ministerin, „dass Beschränkungen infolge der Covid-19-Pandemie regelmäßig eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellen“, sagte Lambrecht gegenüber dem Handelsblatt. „Dadurch wird die Verhandlungsposition der Gewerbemieter und Pächter gestärkt.“
Lambrecht beabsichtigt, im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch eine entsprechende Regelung aufnehmen. Bereits im März wurde dort ein bis Ende Juni befristeter pandemiebedingter Sonderkündigungsschutz für Mieter bei Zahlungsrückständen verankert.
Rechtliche Unsicherheit bei Störung der Geschäftsgrundlage
Derzeit ist nicht eindeutig geklärt, ob die Paragraphen 536 zur Mietminderung oder 313 zur Störung der Geschäftsgrundlage des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Anwendung im Rahmen der Pandemie angewandt werden können.
Auf den Paragraphen 313 will sich Lambrecht mit ihrer Klarstellung berufen. Dies würde flexible Vertragsanpassungen zwischen Mieter und Vermieter ermöglichen. Ihren Vorstoß begründete die Ministerin damit, dass einige Gewerbemieter in den vergangenen Wochen und Monaten an ihre Vermieter herangetreten seien, um eine Anpassung bei der Miete zu erreichen.
Laut Lambrecht haben seit Beginn der Corona-Pandemie viele Gewerbetreibende ihre angemieteten Gewerberäume wegen der pandemiebedingten Beschränkungen gar nicht oder nur sehr eingeschränkt nutzen können. Doch die Rückmeldungen aus der Praxis zeigten, dass sich nur ein Teil der Vermieter als kooperativ erweise und zu Verhandlungen bereit sei.
Unsicherheit der Vertragspartner
Zwar gibt es Hilfspakete der Bundesregierung und weitere rechtliche Möglichkeiten, die bereits heute eine Reduktion der Belastungen von Gewerbemietern ermöglichen. Im Weiteren haben aber auch die Gerichte nun erstinstanzliche Urteile gefällt, in denen die Voraussetzungen zu Mietminderungen bei Mängeln oder Ansprüche auf Vertragsanpassung wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage geprüft und teilweise bejaht wurden.
Tatsächlich entschied das Landgericht Frankfurt am Main mit Blick auf ein Textil-Einzelhandelsgeschäft, dass die staatlich verordnete Schließung keinen Mangel darstelle und somit keine Mietminderungen rechtfertige.
Eine Störung der Geschäftsgrundlage sahen die Richter ebenfalls nicht (Az. 2—15 O 23/20). Das Landgericht München stufte hingegen die Corona-Schließungen als Mietmangel ein (Az. 3 O 4495/20). Als Begründung wurde hierbei unter anderem eine Entscheidung des Reichsgerichts von 1915 angeführt, in dem der Betrieb einer Tanzbar zu Beginn des Ersten Weltkriegs polizeilich eingeschränkt wurde. Dadurch seien die Räume mit einem Fehler behaftet worden, der die Tauglichkeit zu der vertragsgemäßen Nutzung mindere. Daher sei der Minderungsanspruch der Kläger auch im aktuellen Fall gerechtfertigt. Daher durften die Ladenmieter ihre Miete deutlich mindern. Rechtsexperten stellen jedoch „die Unmöglichkeit des vertragsgemäßen Gebrauchs in der Coronakrise aber nur sehr selten fest”.
Doch die Rechtsunsicherheit bei Teilen der betroffenen Vertragsparteiensoll nun enden und eine gesetzliche Klarstellung zu möglichen Corona-Notlagen ist nach Ansicht der Justizministerin notwendig.
Deutsche Mieterbund begrüßt Lambrechts Forderung
Vereinbarungen auf freiwilliger Basis zwischen Mieter und Vermieter können erfolgversprechend sein, denn auch Vermieter erkennen, dass die Mietersuche in der Krise kein Zuckerschlecken ist. Das eröffne Raum für Zugeständnisse.
Der Deutsche Mieterbund begrüßt das Vorhaben von Ministerin Lambrecht. Verbandspräsident Lukas Siebenkotten forderte gegenüber dem Handelsblatt die Klarstellung der Politik, „dass eine staatlich verordnete Schließung von Geschäftsräumen eine Mietanpassung zur Folge haben kann“. Denn nur so seien auch die Gewerbemieter „effektiv geschützt“, die nicht mit dem Entgegenkommen ihrer Vermieter rechnen können.
Neben der gesetzlichen Klarstellung plant Lambrecht auch eine „verfahrensrechtliche Regelung zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren über die Anpassung der Gewerbemiete infolge der Covid-19-Pandemie“. Mit der Beschleunigung, so erklärt die Ministerin „kann dann im Einzelfall schnell Rechtssicherheit erzielt werden, wenn die Fälle vor Gericht gehen sollen“.