Glossar

Widerruf von Immobiliendarlehen

Das deutsche Gesetz räumt natürlichen Personen, die private Geschäfte als sogenannte Verbraucher abschließen, ein Widerrufsrecht ein. Das bedeutet, dass auch Verträge für Immobiliendarlehen innerhalb der gesetzlichen Widerrufsfrist von vierzehn Tagen ohne die Angabe von Gründen widerrufen werden können. Die Widerrufsfrist beginnt mit Aushändigung aller Vertragsunterlagen und einer Widerrufsbelehrung. Wenn diese Fehler enthält oder gänzlich fehlt, kann sich die Widerrufsfrist auf bis zu ein Jahr und vierzehn Tage verlängern. Bei älteren Darlehensverträgen gelten spezielle Bedingungen, und zwar betrifft dies insbesondere Vertragsabschlüsse, die in folgenden Zeiträumen liegen:

• zwischen dem 1. September 2002 und dem 10. Juni 2010
• zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016

Vertragsabschluss vor dem 1. September 2002

Das deutsche Recht sah vor dem 1. September 2002 bei Darlehensverträgen weder ein Recht auf Widerruf noch auf die Aushändigung einer entsprechenden Belehrung vor. Der Widerruf ist daher für Verträge, die vor diesem Datum geschlossen worden sind, nicht möglich. Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn diese als sogenanntes Haustürgeschäft zustande gekommen sind, wovon in der Realität kaum auszugehen sein dürfte.

Vertragsabschluss zwischen dem 1. September 2002 und dem 10. Juni 2010

Wenn der Darlehensvertrag in diesem Zeitraum abgeschlossen wurde, hat der Kreditnehmer bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung keine Chance mehr auf einen erfolgreichen Widerruf, da dieser nur bis zum Stichtag 21. Juni 2016 möglich war. Wenn die Widerrufsbelehrung aber gänzlich fehlt, ist der Widerruf noch unendlich lange denkbar.

Vertragsabschluss zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016

Wenn dem Kreditnehmer bei Abschluss des Darlehensvertrags keine Widerrufsbelehrung ausgehändigt wurde oder diese nicht korrekt ist, kann er den Vertrag auf unbegrenzte Zeit widerrufen. Das bedeutet, dass der Widerruf auch nach Jahren noch möglich ist, sofern es keine Gesetzesänderungen gibt.

Neues Urteil des EuGH zum Widerruf vom März 2020 für Vertragsabschlüsse zwischen 30.07.2010 bis 20.03.2016

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 26.03.2020 unter dem Aktenzeichnen C-66/19 ein Urteil zum Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen gefällt. Demnach muss für den Verbraucher klar erkennbar sein, wann seine Widerrufsfrist zu laufen beginnt. In den Musterbelehrungen ist das nicht immer gegeben. Außerdem haben manche Kreditgeber Veränderungen am Mustertext vorgenommen, die jetzt eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung zur Folge haben können. Anwälte empfehlen daher, Verträge aus dem Zeitraum 30.07.2010 bis 20.03.2016 diesbezüglich prüfen zu lassen.

Vertragsabschluss nach dem 21. März 2016

Alle Immobiliendarlehensverträge, die nach dem 21. März 2016 abgeschlossen worden sind, unterliegen dem Widerrufsrecht gemäß §§ 355 BGB und 495 BGB. Das bedeutet neben der vierzehntägigen Widerrufsfrist zusätzlich eine Bedenkzeit von sieben Tagen für den Darlehensnehmer, bevor er den Vertrag unterzeichnen muss. Ausnahmen vom Widerrufsrecht bestehen theoretisch laut § 495 BGB bei notariell beurkundeten Darlehensverträgen und wenn der Kreditgeber durch den Zahlungsverzug des Kreditnehmers zur Kündigung berechtigt ist.